5. Januar 2022 – Trends | Prozessoptimierung | Mediengestaltung

Schriften im Abo –

ein Erfahrungsbericht

 

Ein Relikt aus den Anfängen des Desktop Publishing verschwindet bald. Die alten «PostScript»-Schriften – auch «Type 1» genannt – können in absehbarer Zeit nicht mehr verwendet werden. Für uns der Anlass, uns nach Alternativen umzusehen. Gelandet sind wir am Schluss bei einer Mietlösung, mit der die Schriften über einen Clouddienst gemietet werden. Wie funktioniert das, und hat sich das bewährt?

 

 

Im Softwarebereich ist es mittlerweile fast schon die Norm, ein Programm nicht mehr zu kaufen, sondern im Mietmodell zu nutzen. Seit ungefähr einem halben Jahr setzt die Brunner Medien AG in Kreation und Prepress auf Schriften im Mietmodell – eine Schrift ist ja letztendlich auch nichts anderes als eine Software. Nachdem wir unsere Anforderungen definiert hatten, blieben im Grunde zwei Möglichkeiten: der Kauf neuer Schriftlizenzen – was schon für einen bescheidenen Grundstock an Schriften schnell einen fünfstelligen Betrag gekostet hätte – oder die Mietvariante beim Marktführer Monotype.

 

Warum Monotype Fonts?

Abgesehen von einem Kauf der Schriften waren nicht viele Alternativen in Sicht – Adobe hat mit «Adobe Fonts» zwar ein ähnliches Produkt in jedem Creative Cloud-Abo mit dabei, aber dort fehlen dann doch viele Schriften-Klassiker und die Schriften sind auch nur in den Adobe-Apps verfügbar.

So blieb am Ende Monotype Fonts: guter Katalog, alle geforderten Funktionen zu einem guten Preis. Wenn ein Produkt im Moment konkurrenzlos und vom Quasi-Monopolisten kommt, ist das nie optimal – ich würde mich freuen, wenn sich da noch was tun würde.

 

Wie funktioniert es?

Nachdem die Teamlizenz (ab zehn Benutzer) freigeschaltet ist, können die Teammitglieder eingeladen werden. Drehscheibe ist das Webportal von Monotype Fonts. Via Browser kann im umfangreichen Schriftenkatalog gestöbert werden, es gibt eine breite Auswahl an bekannten Klassikern und neuen Fonts. Die Schriften können für ein Projekt in Listen gruppiert und mit dem Team geteilt werden. Soll eine Schrift auf dem Mac oder PC verwendet werden, kann diese synchronisiert werden. Ab hier übernimmt dann eine Desktop-Applikation, die auf macOS oder Windows installiert wird und die gewünschten Schriften im Betriebssystem aktiviert.

 

The good …

Monotype war immer schon einer der grössten Anbieter von Schriften – und im Verlauf der letzten Jahre wurden diverse Schriftenhersteller und Schriftenservices übernommen: «Linotype», «ITC», «FontShop», «MyFonts» und viele weitere gehören unterdessen zu Monotype. Dies zeigt sich im riesigen Angebot, wo fast keine Wünsche offenbleiben. Soll es die «Frutiger» die «Neue Frutiger» oder doch lieber «Frutiger Next» sein? Oder doch lieber etwas frisches von einem jungen Schriftdesigner? Es ist alles da, bereit zum Synchronisieren!

Das Browser-Interface ist schön gemacht, funktional und aufgeräumt. Über Filter kann man sich zu einer passenden Schrift herantasten und die Auswahl vereinfachen. Die Teamadministration ist einfach verständlich und mit den nötigen Funktionen versehen. Sehr schön ist auch die Möglichkeit, bereits früher (unabhängig von Monotype) gekaufte Schriften bereitzustellen. Der Administrator kann diese Schriften im Portal hochladen, die Anzahl freigegebene Lizenzen definieren und schon steht die Schrift für die Benutzer zur Synchronisation zur Verfügung.

… the bad …

Die Desktop-App hat meiner Meinung nach noch Verbesserungspotenzial. Die App hat ein gewisses Eigenleben, wenn es darum geht, an welcher Bildschirmposition sie angezeigt wird. Neu synchronisierte Fonts werden manchmal direkt nach der Synchronisierung automatisch aktiviert, manchmal muss vom Benutzer manuell nachgeholfen werden. Die automatische Aktivierung von Schriften, wenn zum Beispiel ein InDesign-Dokument geöffnet wird, ist noch nicht da, wo andere «Standalone»-Fontmanager sind.

Die Bedienoberfläche der Desktop-App.

… and the ugly

Das Hosting des Services ist bislang vermutlich ausschliesslich in den USA – was sich manchmal in einem etwas langsamen Zugriff zeigt. Blöder ist das dann, wenn unangekündigte Wartungsarbeiten ausgeführt werden – und in Mitteleuropa ist es gerade Montagmorgen! Das kann dann bedeuten, dass ein dringender Job schlicht nicht erledigt werden kann, da die gewünschte Schrift nicht synchronisiert werden kann. Das kam zwar erst einmal für etwa zwei Stunden vor, aber das ist in dieser Form einmal zu viel. Mein Wunsch an Monotype wäre also, dass solche Ausfälle erstens angekündigt und zweitens mit Rücksicht auf die Zeitzonen ausgeführt werden.

Fazit

Insgesamt ist Monotype Fonts für uns eine erfreuliche Sache, zu einem durchaus interessanten (und KMU-tauglichen) Preis. Sehr positiv ist auch, dass die alten PostScript-Schriften oft 1:1 durch die OpenType-Version ersetzt werden können, ohne dass sich der Umbruch des Textes im Dokument verändert. In dieser Hinsicht habe ich den Aufwand für die Umstellung anfangs deutlich höher eingeschätzt.

Hintergrund

Die PostScript-Fonts sind ein regelrechter IT-Dinosaurier: Mitte der 80er-Jahre von Adobe entwickelt, haben sie das damalige «Desktop Publishing» ermöglicht. Jetzt, nach bald 40 Jahren, scheint die Zeit dieses Formates abzulaufen: Die Adobe-Softwarepalette wird per Ende 2022 die Nutzung der alten Type-1-Schriften nicht mehr unterstützen. Weiter hat sich bei uns die Anforderung ergeben, unsere Arbeiten zukünftig unabhängig vom eingesetzten Betriebssystem erledigen zu können – egal ob auf Windows oder auf macOS. Das Nachfolgeformat existiert schon seit einigen Jahren – die neuen OpenType-Schriften beinhalten viel umfangreichere Zeichensätze und sind plattformunabhängig. Dies sind nur die zwei wichtigsten Vorteile

 

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Tobias Röllin

Technopolygraf, Technischer Leiter Medienvorstufe

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